Nutzen des E-Voting

In die Einführung des Online-Voting wurden zum Teil hohe Erwartungen gesetzt. Es fragt sich jedoch, wie realistisch diese sind. Im Wesentlichen geht es dabei um folgende Punkte:

Vereinfachung für die Stimmbürger

Die Teilnahme am E-Voting ist auf jeden Fall komplizierter als das Ausfüllen der Stimmzettel von Hand. Das war schon bisher so (Zürich 2011, S. 17) und wird wegen der erhöhten Sicherheitsanforderungen künftig noch zunehmen. “Der Wahlvorgang wird sicher nicht schneller sein als bei der herkömmlichen Briefwahl” (Stefan Langenauer, Projektleiter im Kanton Zürich) (NZZ Nov. 2013).

Eine Erleichterung besteht jedoch darin, dass man das Ergebnis anschliessend nicht zum Briefkasten tragen muss. Auch kann man sich beim Online-Voting mehr Zeit nehmen als beim Abstimmen per Brief. Wenn der Zeitpunkt zum Abschicken des Couverts wieder einmal verpasst ist, wäre man natürlich froh, man könnte die Sache noch vom Computer aus erledigen, statt den Weg ins Stimmlokal unter die Füsse zu nehmen.

In beiden Fällen ist aber der Aufwand fürs Stimmen sicher geringer als der, welcher vorausgeht: Sich aus Abstimmungsunterlagen und Medien orientieren und eine Meinung zum Thema bilden. Wer sich diese Mühe gemacht hat, wird zumeist auch den Weg zum Briefkasten noch schaffen.

Anders sieht die Sache für besondere Gruppen von Stimmberechtigten aus, nämlich für Behinderte und für Auslandschweizer: 

Auslandschweizer

Vgl. die Seite >Auslandschweizer

Behinderte

Stimmberechtigte mit einer Behinderung, insbesondere Sehbehinderte, werden vom Bundesrat als besondere Zielgruppe des E-Voting bezeichnet. Bei den bisherigen Pilotprojekten wurden aber Lösungen, welche diese Personen unterstützen, offenbar erst diskutiert (Bundesrat 2013, S. 67 f, 109 ff).

Für Stimmberechtigte mit einer motorischen Behinderung ist Online-Voting zweifellos ein Vorteil, weil es ihnen erlaubt, ihre Stimme zuhause abzugeben. Diese Personen sind allerdings auch in anderen Belangen auf Unterstützung angewiesen und haben daher zumeist die Möglichkeit, ein Stimmcouvert zum Briefkasten tragen zu lassen.

Für Sehbehinderte hätten Wahlgeräte mit zusätzlichen Eingabehilfen (Blindenschrift, akustische Ein- und Ausgabe), wie sie z.B. in den USA und in Australien zum Einsatz kommen, wahrscheinlich den grössten Nutzen. Diese müssten aber eher in den Stimmlokalen installiert werden. Es wird denn auch nicht begründet, weshalb ein Online-System für diese Personen die bessere Lösung sei. 

Höhere Stimmbeteiligung

Die Erwartung, dass mit der Einführung von Online-Voting die Stimm- und Wahlbeteiligung zunehme, hat sich nach den bisherigen Erfahrungen nicht bestätigt. Auch die erhoffte Zunahme der Wahlbeteiligung junger Stimmberechtigter ist nicht eingetreten. Gemäss den Zahlen aus dem Kanton Zürich haben jüngere Stimmbürger das E-Voting zwar mehr genutzt als ältere, aber die Gesamtzahl der von ihnen abgegebenen Stimmen hat nicht zugenommen. (Bundesrat 2013, S. 70 f; Zürich 2011, S. 17 f)

Selbst bei den Auslandschweizern verhält es sich nicht anders. Sie benutzten das E-Voting zwar bedeutend häufiger als die in der Schweiz lebenden Stimmberechtigten, aber ihre Stimmbeteiligung ist insgesamt sogar noch zurückgegangen, und zwar sowohl bei den Nationalratswahlen 2011 (Bundesrat 2013, S. 73; NZZ, Okt. 2015) wie auch bei jenen von 2015. (Einzig im Kanton Genf resultierte 2015 eine minime Zunahme um 0,3%; Computerworld, Dez. 2015.)

Dieselbe Erfahrung haben andere Staaten gemacht. Verdonck Klooster 2014 (S. 8 und Anhang I S. 14f) verglichen die Zahlen aus Pilotversuchen verschiedener Länder und stellten fest, dass die Abstimmung übers Internet nirgends zu einer signifikant höheren Stimmbeteiligung geführt hat.

Die Auswirkungen des E-Voting in der Schweiz werden u.a. mit dem Forschungsprojekt e-Democracy unter der Leitung von Uwe Serdült (Universität Zürich / Zentrum für Demokratie Aarau) untersucht (vgl. Serdült 2016). Für einen internationalen Vergleich von gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen des E-Voting vgl. ferner Krimmer 2012 und das Internet Voting Project.

Weniger ungültige Stimmen

Bei eidg. Volksabstimmungen der letzten Jahre wurden regelmässig ca. 0,3 bis 0,4 Prozent ungültige Stimmen abgegeben (Eidg. Volksabstimmungen 1848-2016, Bundesamt für Statistik). 

Ein Online-Voting-System kann so gestaltet werden, dass ungültige Stimmen nicht möglich sind. Ob dann aber Personen, die schon mit dem richtigen Ausfüllen des papierenen Stimmzettels ihre Mühe haben, künftig das Online-Voting benutzen werden, ist eine andere Frage.

Aufwand für die Behörden

Wahlen und Abstimmungen der traditionellen Art verursachen einen erheblichen Aufwand. So waren bei den National- und Ständeratswahlen 2015 allein in der Stadt Zürich 1800 Personen mit dem Auszählen beschäftigt (NZZ, Okt. 2015).

Diese Organisation wird zwar weiterhin bestehen bleiben, da das traditionelle Abstimmungsverfahren nicht abgeschafft wird. Wenn aber ein Teil der Stimmenden online wählt, müssen weniger Stimmen von Hand ausgezählt werden. Im Bericht des Kantons Zürich von 2011 wurden daher die Gemeinden als “die einzigen wirklichen Nutzniesser des E-Voting” bezeichnet (Zürich 2011, S. 21). Als Nachteile wurden jedoch der Zusatzaufwand bei der Vorbereitung der Urnengänge und verlängerte Vorlaufzeiten, die fürs E-Voting einzuhalten seien, erwähnt.

Wenn es nur um die Entlastung der Stimmbüros geht, kommen allerdings auch technisch wesentlich einfachere Lösungen mit Scannern und Software zum Auswerten der Stimmzettel in Frage (vgl. Niederlande, USA).

Einsparungen

Mit Bezug auf das Sparpotenzial des Vote électronique äussert sich der Bundesrat im Bericht 2013 (S. 94, 140 ff) vorsichtig und weist darauf hin, dass es zumindest in der Anfangsphase ein kostspieliges Projekt sei (ebenso Zürich 2011, S. 12 f). Auch Verdonck Klooster 2014 (S. 8 und Anhang I S. 22f) stellten in allen untersuchten Ländern relativ hohe Kosten fest, was allerdings auch dort zum Teil daran lag, dass es sich um eine Startphase handelte.

Schnelle Verfügbarkeit der Resultate

Die Ergebnisse der online abgegebenen Stimmen stehen nach Abschluss des Urnengangs praktisch sofort zur Verfügung. Für das Gesamtergebnis muss aber dennoch auf die Auszählung der Papierstimmen gewartet werden.