Wahlverfahren in den USA

Die Organisation von Wahlen und Abstimmungen liegt in den USA in der Kompetenz der Einzelstaaten, und zwar auch dann, wenn es um die Wahl von Bundesbehörden geht. Dementsprechend existiert eine Vielzahl von Wahlsystemen. Oft sind diese auch nicht im ganzen Staat einheitlich, sondern variieren von County zu County. 
    

Wahlgeräte (voting machines)

In den Wahllokalen kommen fast überall elektronische Geräte zum Einsatz. Davon gibt es im wesentlichen vier verschiedene Typen (hier nach zunehmendem Grad der Automatisierung aufgeführt):

Typ 1:  Paper Ballot + Optical Scan
Der Wähler füllt von Hand einen Stimmzettel auf Papier aus. Diesen steckt er in ein Gerät, welches das Formular scannt und auswertet. Der Stimmzettel ist so gestaltet, dass man nur die gewünschten Punkte markieren muss.

Typ 2:  Ballot Marking Device (BMD)
Der Wähler klickt auf einem Bildschirm die gewünschten Optionen an, worauf das Gerät einen papierenen Stimmzettel ausdruckt. Diesen kontrolliert der Wähler und steckt ihn, wenn alles stimmt, in eine Öffnung an der Maschine. Der Zettel wird darauf gescannt und ausgewertet.

Typ 3:  Direct Recording Electronic (DRE)
Der Wähler führt die ganze Wahl am Bildschirm aus, und die gewählten Optionen werden direkt als Stimmabgabe registriert. Es wird also kein Stimmzettel gedruckt. Diese Geräte gibt es in zwei Varianten:

Typ 3a:  Mit Voter Verified Paper Audit Trail (VVPAT)
Ein angeschlossener kleiner Printer druckt das Ergebnis fortlaufend auf einen Papierstreifen (ähnlich einem Kassenzettel). In einem Sichtfenster kann der Wähler den Streifen kontrollieren und, falls etwas nicht stimmt, das Ganze annullieren und nochmals von vorn beginnen.

Typ 3b:  Ohne VVPAT
Es wird kein Papierdokument produziert, das die elektronische Wahl bestätigt. 
    

Voting machine      Wahl am Bildschirm          Belegdrucker (VVPAT)

Voting machine                 Wahl am Bildschirm             Belegdrucker (VVPAT)

(Beispiel: Sequoia AVC Edge)

Daneben besteht in den meisten Bundesstaaten auch die Möglichkeit, Stimmzettel per Post einzusenden. In drei Staaten ist dies die bevorzugte Abstimmungsmethode (Washington, Oregon, Colorado), in andern gilt sie eher als Ausnahme, die speziell beantragt werden muss. Die Auszählung der Stimmen erfolgt dann von Hand oder es werden Geräte vom Typ 1 eingesetzt. 

Oft gelangt eine Kombination mehrerer Verfahren zum Einsatz. So stellen Staaten, die nach der 1. Methode oder per Briefpost abstimmen, für behinderte Personen auch Geräte vom Typ 2 zur Verfügung, die mit zusätzlichen Eingabehilfen (Blindenschrift, akustische Ein- und Ausgabe etc.) ausgerüstet sind. (Übersicht über Wahlverfahren und eingesetzte Geräte: VerifiedVoting; Ballotpedia)

Fehleranfälligkeit, Manipulationsgefahr

Bei allen Methoden treten gelegentlich Mängel auf; ungenau kalibrierte Scanner, Fehler in der Auswertungssoftware usw. führen zu falschen Resultaten (Beispiele). Gemäss einer 2015 durchgeführten Untersuchung werden in einem grossen Teil der Staaten veraltete Wahlgeräte verwendet, die fehleranfällig sind und für die kaum mehr Ersatzteile geliefert werden. Die Autoren befürchten daher grosse Probleme bei der Durchführung der Wahlen 2016 (Norden, Famighetti 2015). Der Austausch solcher Geräte ist aber nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. 

Bei den programmierbaren Elementen aller Geräte besteht überdies die Gefahr von Eingriffen übers Internet oder durch Insider, mit denen das Ergebis manipuliert werden kann (vgl. >Externe Angriffe, >Insider Risiken). In einer Untersuchung des Staates Kalifornien wurden bei einem Gerätetyp der dritten Art (Typen 3a und 3b) zahlreiche Mängel bezüglich Datenintegrität, Kryptographie, Zugangskontrolle und Qualität der Programmierung festgestellt, die das System für unbefugte Eingriffe in hohem Masse verwundbar machen (Source Code Review of the Sequoia Voting System, California Secretary of State, 2007). Diese Geräte sind dennoch weiterhin in mehreren Bundesstaaten im Gebrauch (Übersicht).

Dass die Software der Wahlgeräte manipuliert werden kann, ist an sich schon lange bekannt. Problematisch sind insbesondere die DRE-Geräte (Typen 3a und 3b), die nach Art einer Black Box funktionieren: Am Bildschirm geben die Wähler ihre Daten ein, am andern Ende des Systems kommt das Resultat der Abstimmung heraus, und was dazwischen geschieht, ist nicht sichtbar. Kritische Stimmen monieren seit langem, dass die Hersteller der Geräte keinen Einblick in deren Funktionsweise gewähren. Besonders kritische weisen überdies darauf hin, dass der Markt für diese Systeme von wenigen Firmen beherrscht werde, deren Eigentümer den Republikanern nahestünden. Und einzelne versuchen sogar zu belegen, dass die Wahlen seit Jahren gefälscht würden. (True Democracy PartySimon 2014

Bis vor kurzem schenkte man solchen Einwänden keine grosse Beachtung. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 wurden sie dann aber plötzlich zu einem Mainstream-Thema:

  • Just how secure are electronic voting machines? (CNN Aug. 2016)
  • Hacker demonstrates how voting machines can be compromised (CBS News Aug. 2016)
  • By November, Russian hackers could target voting machines (Bruce Schneier, Washington Post Juli 2016)
  • After the DNC hack, what's stopping Russian hackers from accessing voting machines? (WGBH News Aug. 2016)
  • America’s electronic voting machines are scarily easy targets (Wired Aug. 2016)
  • How to hack an election in 7 minutes (Politico Aug. 2016)
  • Security officials consider national hacking of voting machines extremely unlikely (Daily Signal Aug. 2016) 
  • Could the 2016 election be stolen with help from electronic voting machines? (Democracy Now Feb. 2016)
Die Situation ist besonders ungemütlich, wenn man bedenkt, dass in Pennsylvania, Virginia und Florida, die zu den umstrittenen “swing states” bei der Präsidentenwahl zählten, noch viele Geräte ohne Papierbeleg verwendet wurden, bei denen eine Nachzählung nicht möglich ist (vgl. unten). 
Nachzählungen (Post Election Audits)

Um den genannten Unsicherheiten zu begegnen, ist in einer Mehrheit der Bundesstaaten vorgesehen, dass nach jeder Wahl stichprobenweise Nachzählungen in zufällig ausgewählten Wahlkreisen durchgeführt werden (Post Election Audits). So müssen im Staat New York, der mit Geräten vom Typ 1 wählt, 3% aller Stimmen von Hand nachgezählt werden. Einige Staaten erproben statistische Verfahren, um zu bestimmen, welcher Umfang an Nachzählung für eine ausreichende Gewissheit erforderlich ist. (Post Election Audits: Übersicht; Methoden)

Nachzählungen sind indessen nur möglich, wenn im Abstimmungsverfahren ein Papierdokument produziert wird. Am einfachsten und zuverlässigsten ist die Kontrolle bei den Verfahren vom Typ 1 und 2, wo auf die kompletten Stimmzettel zurückgegriffen werden kann; zudem stehen dort die gespeicherten Scans der Stimmzettel zur Verfügung. Papierstreifen der Geräte vom Typ 3a sind schon weniger geeignet: Sie sind für die Wähler schwer lesbar (vgl. das Bild oben), für die Nachzählung unpraktisch und bestehen oft aus Spezialpapier, das rasch verbleicht.

Am problematischsten ist die Situation dort, wo Geräte vom Typ 3b verwendet werden, die keinerlei Papierbeleg produzieren. Eine Untersuchung im Jahr 2012 zeigte, dass dies in 16 Staaten entweder für den ganzen Staat oder für einen Teil der Counties zutraf (Counting Votes 2012). (Aktueller Stand Sommer 2016: VerifiedVoting; Ballotpedia)

In diesen Fällen hat auch ein Gericht keine Möglichkeit, eine Nachzählung anzuordnen, wenn die Wahl angefochten wird (vgl. das Beispiel Florida 2006). In einigen Staaten sind aus diesem Grund Bestrebungen im Gang, zu einem Verfahren mit nachprüfbarem Papierbeleg (Paper Trail) zurückzukehren. Maryland hat diesen Schritt 2016 vollzogen. (MarylandUSA Vergleich 2012 vs. 2016

Im Anschluss an die Präsidentschafts-Wahlen von 2016 wurden in fünf Einzelstaaten Nachzählungen angestrebt. Der Verlauf dieser Kampagnen wirft einiges Licht auf diese Problematik.

> Nachzählungen in den USA 2016
    

Abstimmungen übers Internet

Die US-Regierung hat über Jahre hinweg versucht, ein sicheres Online-Voting-System für im Ausland stationiertes Militärpersonal zu entwickeln. Im Jahr 2002 hatte der Kongress zunächst das Verteidigungsdepartement (DoD) mit dieser Aufgabe betraut. Als dieses die Sache nach mehrjährigen Forschungen als nicht machbar beurteilte, liess er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und gab den Auftrag an das National Institute of Standards and Technology (NIST) weiter. Erst nachdem auch dieses zum Schluss gelangt war, dass die Sicherheitsprobleme mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln nicht lösbar seien, verzichtete der Kongress 2015 auf eine entsprechende Gesetzgebung. Bis dahin hatten DoD und NIST mehr als 100 Millionen Dollar in ihre Bemühungen investiert.  (VerifiedVoting, S. 3 f; Simons, Jones 2012, S. 72)

Bestehen blieb ein seit 2009 geltendes Gesetz (sog. MOVE Act), wonach den Militärangehörigen im Ausland die Abstimmungsunterlagen auf elektronischem Weg frühzeitig zur Verfügung gestellt werden. Für die Rücksendung der ausgefüllten Wahlzettel besteht dagegen keine entsprechende Vorschrift.

Viele Gliedstaaten sind aber von sich aus über die Forderung des Bundes hinausgegangen und ermöglichen den im Ausland stationierten Militärangehörigen, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen, ohne ihre Stimmzettel als Papierdokument einzusenden. Die Übermittlung erfolgt stattdessen per E-Mail oder Fax; einige Staaten haben auch ein Online-Portal eingerichtet. Alaska erlaubt diese Art von Fern-Abstimmung sämtlichen Stimmbürgern und will für diesen Zweck ein Online-Wahlsystem entwickeln.

Diese Verfahren arbeiten zumeist mit nur rudimentären Sicherheitsvorkehrungen. Oft müssen die Stimmenden bei der Übermittlung ihrer Wahlzettel ausdrücklich bestätigen, dass sie sich der Unsicherheiten bewusst sind und/oder dass sie auf die Wahrung des Stimmgeheimnisses verzichten. (Übersicht VerifiedVoting)
Öffentliche Stellungnahme von Computer-Fachleuten

Eine Gruppe von Computer-Fachleuten wandte sich 2008 mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, um auf die Risiken, die mit Wahlen übers Internet noch immer verbunden seien, aufmerksam zu machen:

> Computer Technologist’s Statement on Internet Voting