Nachprüfung des Abstimmungsergebnisses

Notwendigkeit einer Nachprüfung

Die Nachprüfung eines Abstimmungsergebnisses kann erforderlich sein, wenn:

♦ Bei der Plausibilisierung eine Unstimmigkeit auftritt, weil z.B. das Resultat der Online-Stimmen in unerklärlicher Weise von jenem der traditionellen Stimmen abweicht.

♦ Die individuelle oder die universelle Verifizierung Anhaltspunkte für eine Manipulation aufzeigen. 

♦ Bei einem sehr knappen Ergebnis, wenn ein Kandidat z.B. mit bloss 3 Stimmen Vorsprung gewählt wurde. (In mehreren Kantonen ist ein sehr knappes Ergebnis stets Grund für eine Nachzählung.)

Nachprüfbarkeit ist aber auch grundsätzlich ein unabdingbares Element jedes Abstimmungsverfahrens. Beim E-Voting ist sie wegen der mit diesem Verfahren verbundenen Unsicherheiten eher noch wichtiger als bei traditionellen Abstimmungen.  

Zur Unterscheidung:

Mit der individuellen oder universellen Verifizierung wird keine Nachprüfung im hier besprochenen Sinn vorgenommen, und sie kann diese auch nicht ersetzen. Die individuelle und die universelle Verifizierung sind darauf ausgerichtet, allfällige Manipulationen im System zu erkennen (Art. 5 Abs. 1 VPR). Sofern die Verifizierung keine Anzeichen für einen Missbrauch entdeckt, bringt sie zwar sinngemäss eine Bestätigung des Abstimmungsergebnisses. Zeigt sie jedoch eine Manipulation auf, so ist ihre Funktion mit dieser Feststellung erfüllt. Die Ermittlung des korrekten (nicht manipulierten) Ergebnisses ist nicht Aufgabe der Verifizierung.
   

Methoden der Nachprüfung

Bei traditionellen Abstimmungen wird eine nachträgliche Kontrolle immer mit dem Mittel der Nachzählung vorgenommen. Bei einem Online-Verfahren ist eine solche jedoch nicht möglich. Zu Beginn der Pilotversuche hatte man die Nachzählung von Online-Abstimmungen offenbar noch für möglich gehalten. Die Verordnung des Bundesrates über die politischen Rechte (VPR) hatte in ihrer ersten Fassung verlangt:

“Treten Unregelmässigkeiten auf, so muss die Anzahl fehlerhafter elektronischer Stimmabgaben erhoben werden können, und eine Nachzählung zur Behebung fehlerhafter Auszählungsergebnisse muss möglich sein.”

(Art. 27n VPR in der Fassung vom 20. Sept. 2002)

Auch in seinem Bericht 2013 (S. 92) hatte der Bundesrat noch erklärt, eine “zweite Auszählung einschliesslich der elektronisch abgegebenen Stimmen” sei immer möglich. Wie aber hätte eine solche Nachzählung funktionieren sollen? Man könnte allenfalls überprüfen, ob die im System registrierten Stimmen richtig zusammengezählt wurden. (Dazu waren die Computer zweifellos in der Lage.) Falls jedoch die registrierten Stimmen manipuliert wurden, steht keine unabhängige Quelle zur Verfügung, die als Grundlage einer Nachzählung dienen könnte.

In der aktuellen Fassung der Verordnung wurde daher auf die genannte Vorschrift verzichtet. Die Anforderung lautet jetzt realistischer:

“Werden bei der Verifizierung oder der Plausibilisierung Unregelmässigkeiten festgestellt, so muss die Anzahl fehlerhafter Stimmen erhoben oder zumindest das Ausmass der Auswirkungen auf das Auszählungsergebnis abgeschätzt werden können.”

(Art. 27i Abs. 4 VPR in der Fassung vom 13. Dez. 2013)

“Das Ausmass der Auswirkungen … abgeschätzt”: Das ist nun nicht mehr dasselbe wie eine Nachzählung. Aber selbst diese Anforderung lässt sich nicht zuverlässig erfüllen. Je nach den Umständen des konkreten Falls ist zwar denkbar, dass der Umfang des Schadens einigermassen abschätzbar ist. Das muss aber nicht immer so sein und steht auch nicht im Voraus fest, da wir nicht wissen, mit welcher Art von Einwirkung wir es zu tun haben werden. Wie man eine solche Abschätzung schon zu Beginn des Projektes garantieren will, ist nicht klar.

Richtigerweise muss indessen bei einem Abstimmungsresultat, dem man vertrauen soll, im Fall von Unregelmässigkeiten nicht nur das “Ausmass der Auswirkungen … abgeschätzt” werden, sondern es muss vollständig überprüft werden können. 
   

Keine Nachprüfung möglich!

Soweit ersichtlich, stehen heute keine Methoden für eine effektive nachträgliche Kontrolle der online abgegebenen Stimmen zur Verfügung, jedenfalls nicht ohne Aufhebung des Stimmgeheimnisses. In Frage käme in einem solchen Fall nur eine Wiederholung der Abstimmung. Und wenn bei der Wiederholung wieder Mängel auftreten?

Das Fehlen einer realistischen Nachprüfungsmöglichkeit ist denn auch einer der Hauptgründe dafür, dass viele Fachleute beim Thema Online-Voting zur Vorsicht mahnen. (Ragaz 2013; Simons, Jones 2012, S. 71, 73, 76; Schneier 2004; Schneier 2012Computer Technologist’s Statement 2008)

Aus demselben Grund wird in Ländern, die elektronische Wahlgeräte verwenden, wieder vermehrt darauf geachtet, dass die Geräte einen nachprüfbaren Papierbeleg (Paper Trail) produzieren. (>> Niederlande, Deutschland, BelgienUSA, Indien)