Universelle Verifizierung

Das Prinzip

Die universelle Verifizierung soll durch die Verwendung von Kontrollkomponenten ermöglicht werden, die vom Rest des Systems unabhängig und durch besondere Massnahmen gesichert sind (sog. ‘vertrauenswürdiger Systemteil’). Die Kontrollkomponenten sollen durch unabhängige Prüferinnen und Prüfer überwacht werden und diesen erlauben, die Korrektheit des Gesamtergebnisses festzustellen. Zur Vertrauenswürdigkeit soll auch beitragen, dass mehrere unabhängig voneinander funktionierende Kontrollkomponenten im Einsatz sind, von denen jede für sich allein imstande sein muss, eine allfällige Manipulation aufzudecken. (Art. 5 Abs. 4-6 VEleS; Ziff. 4.3 und 4.4 Anhang zur VEleS; Bundesrat 2013, S. 117 f)

Konzept des ‘Schwarzen Bretts’

Das Verfahren, welches die universelle Verifizierung gewährleisten soll, wird in der Verordnung nicht definiert. Als Möglichkeit wird erwähnt, dass die verschlüsselten Stimmen auf einem elektronischen ‘schwarzen Brett’ im Internet publiziert werden. Jeder Stimmberechtigte wäre dann in der Lage, mithilfe der Codes, die er erhalten hat, zu überprüfen, ob seine Stimme richtig registriert wurde. Um das Gesamtergebnis zu kontrollieren, könnten die Daten des schwarzen Bretts herunterladen und mit einer geeigneten Software analysiert werden (vgl. Ziff. 4.4.2 Anhang zur VEleS; Bundesrat 2013, S. 98, 120).

Die Verordnung lässt allerdings offen, ob die Stimmberechtigten überhaupt in das Verfahren der universellen Verifizierung einbezogen werden (Art. 5 Abs. 1 VEleS). Die Beschränkung auf einen engeren Personenkreis von ‘Prüferinnen und Prüfern’ wird in den technischen und administrativen Anforderungen des Anhangs ausdrücklich als zulässig bezeichnet (Ziff. 4.4.2). Wer diese Personen auswählt und welche Anforderungen sie zu erfüllen hätten, wird nicht gesagt (vgl. Ziff. 4.4.1). Offengelassen wird auch, ob die technischen Hilfsmittel zur Überprüfung von den prüfenden Personen selber oder vom System bereitgestellt werden (Ziff. 4.4.5). (Vgl. Dubuis, Haenni, Koenig 2012, S. 49 f, 71)

Keine Kontrolle durch die Öffentlichkeit?

Der Bericht des Bundesrat 2013 (S. 118) weist darauf hin, dass in der Schweiz das Vertrauen in die Behörden gross sei, weshalb die Verifizierung auch durch vertrauenswürdige Dritte erfolgen könne. Dieser Entscheid werde den Kantonen überlassen. (Vgl. zum Argument des >Vertrauens)

Dass man den Kantonen erlaubt, die Prüfung durch einen kleinen Personenkreis vornehmen zu lassen, wird im Anhang der Verordnung vor allem damit begründet, dass die Computer der Stimmbürger nicht vertrauenswürdig seien. Dieser Einwand ist wenig plausibel. Der eigentliche Schritt an die Öffentlichkeit besteht ja darin, dass die gesamten Stimmen auf dem öffentlichen ‘schwarzen Brett’ publiziert werden; ob der Einzelne sie dann auf seinem unsicheren Computer darstellt, ist nicht mehr relevant.

Eine andere Begründung beruht auf der Befürchtung, dass neue Dechiffrierungsverfahren (z.B. mittels Quantenphysik) in Zukunft eventuell ermöglichen, die heutigen Abstimmungsdaten zu entschlüsseln und das Abstimmungsverhalten aller Stimmbürger aufzudecken (vgl. Dubuis, Haenni, Koenig 2012, S. 65; Domgörgen 2008, S. 23 ff). Das wäre tatsächlich ein schwerer Einbruch ins Stimmgeheimnis. In diesem Fall wäre es aber ein schwacher Trost, dass die Daten nicht an Dritte weitergegeben wurden, denn die Verwaltung könnte sie trotzdem analysieren, und das Stimmgeheimnis gilt ebenso sehr gegenüber den Behörden.  Verhindern liesse sich das nur, wenn die Daten nach der Abstimmung komplett vernichtet würden, was aber kaum zu kontrollieren ist (Braun 2006, S. 215).

Andere Konzepte

Die Verordnung schreibt nicht vor, dass die Verifizierung nach dem dargestellten Konzept erfolgen muss, sondern es sind auch andere Lösungen zugelassen. An Ideen fehlt es nicht. So stellen Locher, Haenni 2015 ein Verfahren mit einem öffentlichen ‘schwarzen Brett’ vor, bei welchem keine Bedenken bezüglich des Stimmgeheimnisses bestehen sollen. Auch von weiteren Experten kommen laufend neue Vorschläge; vgl. die Beiträge an entsprechenden Fachtagungen: Haenni, Koenig, Wikström (Bern 2015), Heather, Schneider, Teague (Guildford 2013); ferner Malta (2017)Tallinn (2011), Luxemburg (2009)

Alle diese Konzepte haben eines gemeinsam: Sie sind für Laien nicht durchschaubar und ihre Beschreibungen kaum lesbar. Was letztlich zur Frage führt, ob wir unsere Volksabstimmungen einem Verfahren anvertrauen wollen, das — mit Ausnahme weniger Spezialisten — von niemanden verstanden wird (>Verständlichkeit).