Gerichtsentscheide

Schweizerisches Bundesgericht (2014)

Beim Bundesgericht wurden mehrmals Beschwerden gegen Online-Abstimmungen im Kanton Genf erhoben. Die meisten Anläufe scheiterten schon an den verfahrensrechtlichen Hürden, aber in einem Fall musste das Gericht sich auch inhaltlich mit den Argumenten des Beschwerdeführers auseinandersetzen:

Entscheid vom 22. Juli 2014

(1C_136/2014) (Bundesgericht) (Uni BE

Der Beschwerdeführer hatte vor allem auf die unsicheren Computer der Stimmbürger hingewiesen, die mit Trojanern infiziert und missbraucht werden können. Ferner hatte er geltend gemacht, dass das Genfer Verfahren eine doppelte Stimmabgabe nicht zuverlässig verhindere, und dokumentiert, dass ähnliche Abstimmungsverfahren in andern Ländern tatsächlich manipuliert worden waren. Schliesslich erwähnte er noch die Demonstration eines Hackers, der gezeigt hatte, wie er ins Genfer System eindringen und dort Stimmen verändern könne.

Das Gericht befand, diese Einwände seien rein hypothetischer Art; konkrete Zwischenfälle seien bei der strittigen Abstimmung in Genf nicht nachgewiesen. Das genügte ihm, um die Beschwerde abzuweisen. Es erwähnte dann noch, dass die kantonalen Behörden die Sicherheit des Systems regelmässig überprüfen liessen und die Software laufend verbesserten.

Mit dem Entscheid folgte das Bundesgericht seiner langjährigen Praxis, die es im Zusammenhang mit traditionellen Abstimmungen entwickelt hatte. Danach besitzt eine Beschwerde gegen eine Abstimmung nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Ergebnis massgeblich verfälscht wurde. (Auch nach Art. 77 und 79 BPR richtet sich die Beschwerde vor allem gegen ‘Unregelmässigkeiten’.) (Bundesrat 2013, S. 38 f)

Bei einer elektronisch durchgeführten Abstimmung liegt die grösste Gefahr jedoch gerade darin, dass eine Manipulation des Systems zumeist überhaupt nicht festgestellt wird. Unter Umständen wird man daher von der Verfälschung des Ergebnisses nie etwas erfahren. Dieser Problematik wird die blosse Weiterführung einer Rechtsprechung, die sich an traditionellen Abstimmungen orientiert, nicht gerecht. (Vgl. demgegenüber die Entscheide des deutschen Verfassungsgerichts von 2009 und des österreichischen Verfassungsgerichtshofes von 2011; Hill 2015.)

Simons, Jones 2012 (S. 77) vertreten den Standpunkt, die Beweislast müsse jenen obliegen, die behaupten, dass das System nicht manipuliert worden sei. Das kann aber höchstens zutreffen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Manipulation vorliegen. Im Übrigen kann Prozessthema nur sein, ob das System als Ganzes so beschaffen ist, dass es genügend Sicherheit bietet.
  

Entscheide ausländischer Gerichte

Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts von 2009

Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes von 2011

Entscheid des französischen Conseil d’État von 2015

Das Buch von Driza Maurer, Barrat 2015 bringt eine weit gefasste Zusammenstellung von weiteren Gerichtsenscheiden zum E-Voting aus zahlreichen Ländern.